Alle Artikel von mr94

Wahlentscheidung 2009 (Teil 3)

Bild 5

Neben meiner Erststimme, die vorerst an Serkan Tören (FDP) gehen soll, ist ja auch noch die Zweitstimme zu vergeben, und zwar für die Landesliste einer Partei. Hier ziehe ich zunächst den Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung zu Rate. Der ergibt, wenig überraschend, eine hohe inhaltliche Übereinstimmung mit der CDU/CSU, gefolgt von FDP und Piraten. SPD und Grüne folgen mit gewissem Abstand, abgeschlagen ist die Linke.

Wahlentscheidung 2009 (Teil 2)

Wenig zur Entscheidungsfindung beitragen konnte der Kandidaten-Check auf abgeordnetenwatch.de. Neben meinem bisherigen Favoriten Serkan Tören (FDP) haben sich nur Dr. Margrit Wetzel (SPD) und der Kandidat der Linken beteiligt. Mit den beiden erstgenannten Kandidaten fand ich jeweils 16 Übereinstimmungen (bei 32 Fragen), mit dem Kandidaten der Linken immerhin auch 12.

Wer weiß, vielleicht beteiligen sich ja auch noch die übrigen fünf Direktkandidaten an der Aktion. So bleibt es vorerst bei meiner Entscheidung zur Vergabe der Erststimme.

Wahlentscheidung 2009 (Teil 1)

In zweieinhalb Wochen wird der Bundestag gewählt – Zeit, sich allmählich Gedanken um die Wahlentscheidung zu machen. Erster Teil: die Erststimme.

Im Wahlkreis 031 (Stade I – Rotenburg II) stehen nur fünf acht Direktkandidaten zur Wahl. Die beiden bereits seit Jahren im Parlament vertretenen Damen Dr. Martina Krogmann (CDU) und Dr. Margrit Wetzel (SPD) haben sich mit ihrer Zustimmung zum Zensursula-Gesetz im Prinzip schon unwählbar gemacht. Bleibt eigentlich nur der Rechtsanwalt Serkan Tören (FDP), da der junge Auszubildende zum Verwaltungsfachangestellten (Grüne) oder der ältere Diplom-Sozialökonom und -Betriebswirt (Linke) auch nicht in Frage kommen. Von NPD, BüSo und dem Einzelbewerber ganz zu schweigen.

Gregorianik als Schlüssel zur Erneuerung der Liturgie

Vermutlich ist es einer Überdosis Gregorianischen Chorals in den letzten Tagen zuzuschreiben, dass ich ihn jetzt für den Schlüssel zur Erneuerung der Liturgie halte. Die Gründe:

  1. Der Gregorianische Choral ist hip, auch und gerade außerhalb des katholischen Kernpublikums. Mönche stürmen die Charts, und kirchenferne Menschen schätzen ihren Gesang. Die Gregorianik hat also eine Strahlkraft, die weit über den inzwischen doch einigermaßen überschaubaren Kreis regelmäßiger Messbesucher hinausreicht.
  2. Der Gregorianische Choral ist lateinisch, und das ist auch gut so. Er sperrt sich allen Versuchen, ihn einzudeutschen oder in andere Umgangssprachen zu übersetzen. Selbst die hartnäckigsten Verfechter der landessprachlichen Liturgie und Gegner des Kirchenlateins kommen nicht umhin, die Gregorianik auf Latein zu singen.
  3. Sollte es gelingen, den Gregorianischen Choral wieder stärker in der Liturgie zur Geltung zu bringen, dann stellen sich quasi von selbst die richtigen Fragen. Zum Beispiel die, warum Proprium und Ordinarium eigentlich auf Latein gesungen werden, während der Rest in der Landessprache vorgetragen wird. Wer sich dieser Frage nicht sperrt, wird früher oder später dem Latein mehr Raum in der Liturgie geben.
  4. Der Gregorianische Choral fördert die außerordentliche Form des römischen Ritus. Denn da gehört er hin. Seine Texte sind die Texte des Missale Romanum von 1570 bis 1962. Sie bilden mit den übrigen Teilen eine organische Einheit.

Mehr Gregorianik in der Liturgie wird also früher oder später auch zu mehr Latein und zur häufigeren Zelebration des usus antiquior führen. Mal ganz abgesehen vom zeitlosen ästhetischen Wert, was sich vom Neuen Geistlichen Lied oder auch vielen Gotteslobliedern nicht so leicht sagen lässt.

Außerordentlicher Podcast

Seit Juli, so meldet Exsultet, feiern die Benediktiner von Norcia ihre Konventsmesse in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Passend zu diesem weg- und zukunftsweisenden Schritt haben die Mönche außerdem die passende Technik installiert, um diese Messe täglich aufzuzeichnen und im Web zu veröffentlichen. Nach kleineren Startschwierigkeiten scheint dies nun recht rund zu laufen.

Wie es sich für eine Benediktinerabtei gehört, singen die Mönche Proprium und Ordinarium. Der Zelebrant intoniert die übrigen Teile, soweit nicht kanonisches Schweigen herrscht. Überhaupt strahlt der Podcast – und als solcher lässt er sich sehr einfach abonnieren, zum Beispiel mit iTunes – jede Menge Ruhe aus. Diese Messe ist vom sonst gewohnten liturgischen the-show-must-go-on, wo jede noch so kurze Pause von Orgelspiel übertönt werden muss, so weit entfernt wie Las Vegas von Rom.

Ich habe jetzt zwei Messen gehört und möchte diesen himmlischen Podcast schon nicht mehr missen. Das Evangelium der gestrigen Sonntagsmesse wurde übrigens zunächst auf Latein vorgetragen und anschließend auf Italienisch wiederholt, gefolgt von einer italienischen Predigt. Schön auch die offenbar große kleinkindliche Begeisterung, die nicht zu überhören war.

Die Liturgie in Königsmünster

Das Stundengebet in der Abtei Königsmünster wird auf Deutsch nach dem Benediktinischen Antiphonale von 1996 gehalten. Nach meinem Eindruck aus knapp vier Tagen hält sich der Konvent relativ eng an die Bücher. Insbesondere feiern die Mönche jene fünf Horen, die das Antiphonale vorgibt: Vigil, Laudes, Mittagshore, Vesper und Komplet. Und zwar jeweils als eigenständige Feiern. Nur sonntags finden Vigil und Laudes direkt hintereinander statt. Die Vigil hat dann, anders als werktags, nur eine Nokturn, heute wurde die zweite genommen. Laudes, Mittagshore und Vesper begleitet die Orgel, die Vigil wird größtenteils rezitiert und die Komplet ohne Orgel gesungen.

Der Tag beginnt mit der Vigil um 5.30 Uhr. Nach dem dreifachen Herr, öffne meine Lippen folgt ein täglich wechselnder Psalm zum Invitatorium, der gesungen wird. Danach wird die Tür zur Klausur geschlossen, die Mönche im Chor rücken zur Mitte hin auf, sodass zwischen ihnen keine freien Plätze bleiben. Genauso verfahren sie zur Mittagshore. Die übrigen Horen beginnen mit einem Einzug.

In der Vigil werden dann die Psalmen der beiden Nokturnen rezitiert, den jeweils längeren mittleren Psalm liest der Tischleser vor. Der Versikel entfällt, auf den Segensspruch folgt eine Lesung. In diesen Tagen wurden Dietrich Bonhoeffer und Karl Rahner gelesen. Als Responsorium sieht das Antiphonale jeweils einen Abschnitt aus Psalm 119 vor, responsorial vorgetragen. Danach folgt die zweite Nokturn. Ohne Lesung und Responsorium. Den Abschluss der Vigil, wie ihn die Mescheder Mönche singen, konnte ich im Buch bis jetzt nicht finden: Hymnus, Te Decet Laus oder noch etwas anderes? Die Vigil endet mit der Oration, ohne Segensspruch.

Interessanterweise hält das Antiphonale sonntags im Gegensatz zu den übrigen Tagen einen Hymnus gleich nach dem Invitatorium bereit. Die dritte Nokturn am Sonntag besteht aus einem Canticum. Weder Hymnus noch Canticum wurden jedoch gesungen. Sonntags beginnt die Vigil in Königsmünster erst um 6.15 Uhr, die Laudes schließen sich direkt an. An den übrigen Tagen ist zwischen Vigil und Laudes, die um 6.45 Uhr beginnen, eine stille Zeit. Zu den Laudes werden vier Psalmen gesungen. Auf die Kurzlesung folgt eine lange Pause, bevor die Mönche das Responsorium und den Hymnus singen.

Übrigens lassen sie einige, in eckigen Klammern angegebene Psalmverse weg. Das Vorwort zum Antiphonale schreibt dazu:

Auch sogenannte „schwer vollziehbare“ Stellen sind nicht eliminiert (wie in der Liturgia Horarum), sondern lediglich durch eckige Klammern gekennzeichnet, für jene, die den „Mut zur ganzen Schrift“ nicht aufbringen können und sie übergehen wollen.

Als Cantica in den Laudes wie auch in der Vesper sieht das Antiphonale nicht etwa täglich Benedictus und Magnificat (und Nunc Dimittis in der Komplet) vor. Das Benedictus wird am Sonnabend gesungen, das Magnificat in der Ersten Vesper vom Sonntag. Das schon erwähnte, wortreiche und streckenweise leicht apologetisch gehaltene Vorwort merkt dazu an:

Obwohl die „klassischen“ Cantica de Evangelio durch ihren bevorzugten Einsatz an Festtagen auch im vorliegenden Antiphonale ihren traditionellen Rang erkennen lassen, sind sie hier nicht täglich vorgesehen. Dieser gewiß hohe Preis ist unseres Erachtens zu zahlen, wenn die anderen Cantica aus dem Neuen Testament – deren Aufnahme ins Stundengebet vielen als die bedeutendste Frucht seiner Reform gilt! – an einem ihrer Herkunft und ihrer Aussage angemessenen Platz innerhalb der Hore gesungen werden sollen. Sie werden hier also nicht der Psalmodie angehängt (oder gar ganz eliminiert), sondern es ist ihnen der prominente Platz eingeräumt, den vor der Reform einzig Magnificat und Benedictus innehatten. (Bei einer Umfrage in sechs Klöstern votierten für diese Praxis – nach mehreren Jahren der lebendigen Erfahrung mit ihr – von 307 Konventualen nicht weniger als 253!)

Wer wie ich die Liturgia Horarum betet, für den ist das zuerst verblüffend und dann ungewohnt, aber auch nicht ohne Reiz. So wird in den Laudes am Sonntag der Johannesprolog gesungen, einer der faszinierendsten Texte der Bibel. Das Nunc Dimittis, nach römischen Brauch das Canticum der Komplet, beschließt die Vesper am Mittwoch.

Die Mittagshore um 12.45 Uhr (sonntags schon um 11.45 Uhr) ist mit einem längeren Psalm, Kurzlesung und Responsorien sowie einem oder mehreren weiteren Psalmen versehen. In Königsmünster wurde während meiner Anwesenheit nur der erste Psalm gesungen. Daher nehme ich an, dass die übrigen Psalmen in der zweiten Woche genommen werden. Das Antiphonale sieht zudem die Möglichkeit vor, statt einer Mittagshore bei Terz, Sext und Non zu bleiben, mit der zweiten Psalmenreihe sowie dem sonst als Responsorium der Vigil verwendeten Psalm 119.

Im Konventamt um 17.45 Uhr finden sich die (außer dem Salve Regina am Schluss der Komplet) einzigen lateinischen Gesänge. Proprium und Ordinarium werden aus dem Graduale Triplex gesungen, allerdings während meiner Anwesenheit ohne Graduale (nur Alleluia vor dem Evangelium) und ohne Offertorium. Die Vesper schließt sich in Königsmünster direkt an das Konventamt an, nur sonntags findet das Konventamt um 9.30 Uhr statt und die Vesper um 17.45 Uhr. Die Komplet wird um 20.15 Uhr gesungen, freitags schon um 19.40 Uhr.

Das nüchterne, relativ schlichte Stundengebet nach dem Benediktinischen Antiphonale passt gut zur Architektur der Abteikirche wie der gesamten Abtei. Die gesamte Anlage und auch das Leben in ihr, soweit ich das einschätzen kann, sind geradezu ein Musterbeispiel nachkonziliarer Reform.

Mir persönlich erscheint das alles sehr nüchtern. Auch melodisch erinnert vieles im Antiphonale an die eher drögen Gottesloblieder aus den 50er bis 70er Jahren. Das fällt hier besonders im Vergleich mit dem Graduale Triplex auf.

Der Münsterschwarzacher Psalter ist schön, aber nach gut zwei Jahren mit der lateinischen Liturgia Horarum ist mir ein deutscher Psalter zu transparent und zu anstrengend. Ich kann der Textflut kaum folgen. Das Latein bietet da mehr Freiräume. Und die nahezu vollständige Eliminierung des Latein aus der Liturgie hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Mir erschließt sich immer weniger, worin der Gewinn einer rein muttersprachlichen Liturgie besteht. Nach vierzig Jahren ist diese zum Normalfall geworden, die früheren Verhältnisse haben sich praktisch umgekehrt – und damit auch die liturgischen Probleme und Schwierigkeiten. Jetzt ist das Alte das Neue. Und das Neue sieht schon ganz schön alt aus.

Meine erste Messe im usus antiquior

Vor zwei Jahren hat Papst Benedikt XVI. das Missale und die übrigen liturgischen Bücher von 1962 wieder zugelassen. Ihre Feier bildet nun die außerordentliche Form des römischen Ritus.

Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass ich erst vor kurzem zum ersten Mal eine Messe im usus antiquor besuchen konnte. So gibt es im ganzen Bistum Hildesheim nach meiner Kenntnis überhaupt nur zwei Orte, an denen regelmäßig die alte Messe gefeiert wird. Einer davon ist Hannover, wo dies ein Priester der Petrusbruderschaft tut. Den zweiten habe ich besucht.

Der dortige Pfarrer, zuvor Kaplan in S., hat nach dem Motu Proprio vom 7. Juli 2007 begonnen, sich mit der alten Messe vertraut zu machen. In seiner neuen Gemeinde fand er nicht nur einen prächtigen barocken Hochaltar vor, sondern auch eine Vielzahl liturgischer Gewänder mit allem, was das Herz begehrt (Manipeln!), und die entsprechenden Messbücher.

Im vergangenen Jahr begann er, zunächst für sich allein die alte Messe zu zelebrieren. Nach einiger Zeit baten einzelne Gläubige, daran teilnehmen zu dürfen. Bis zum Herbst war daraus eine gewisse Regelmäßigkeit gewachsen. Seit dem 1. Advent steht der regelmäßige Messtermin nun auch im Pfarrblatt.

Für eine Werktagsmesse am Sonnabend um 8 Uhr ist sie sehr gut besucht. Messdiener fehlten, da Ferienzeit, als ich dort war. Ebenso Gesang, es war eine stille Messe, mit Ausnahme des Salve Regina am Schluss. Ein Teil der Gemeinde saß im Chorgestühl, der Rest in den Bänken. Als Kommunionbank war eine Kniebank im Mittelgang vor dem Volksaltar aufgestellt.

Die Gemeinde sprach sämtliche Antworten, die sonst von den Ministranten übernommen werden. Aus der Anfangszeit, als die alte Messe noch ohne Ministranten auskommen musste, ist sie bestens geübt. Epistel und Evangelium trägt der Pfarrer auf Deutsch vor, versus Dominum die eine, gen Norden das andere. Auch das dreifache Domine, non sum dignus vor der Kommunion betet die Gemeinde auf Deutsch.

Sonst alles Latein oder Schweigen. Es ist wirklich außerordentlich. Nach vierzig Jahren Messe in der ordentlichen Form und ganz überwiegend auf Deutsch ist das Latein an sich schon wieder das Neue. Das Alte ist das Neue. Et renovabis faciem terræ.

Etwas überrascht hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der die Gemeinde tätig an der alten Messe teilnahm. Es schien so gar keine Irritationen zu geben, die Messe fügte sich organisch ins liturgische Leben ein. Sie hatte auch nichts Verbotenes, Subversives oder gar Reaktionäres. Sie war schlicht und einfach eine Messe. Deo gratias.

Der wahre Grund für die Aufregung um die Piusbrüder

Lange Zeit habe ich nicht verstanden, woher die innerkirchliche Aufregung um die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. rührte. Insbesondere die deutschen Bischöfe haben sich ja in dieser Sache mehrheitlich nicht besonders klug verhalten, als sie unrealistische Forderungen stellten, für die zudem jegliche Rückendeckung aus Rom fehlte.

Aber auch ihre Verteidigungslinie gegen Angriffe aus kirchenfeindlichen Kreisen und von innerkirchlichen Opponenten hatte die Mehrheit der Bischöfe wenig vorausschauend gewählt. So ist die ständige Betonung, die Priester und Bischöfe der Bruderschaft seien weiterhin suspendiert und übten ihr Amt nicht rechtmäßig aus, nicht mehr als eine vorübergehende Beschwichtigung. Denn schließlich ist es das erklärte Ziel auf beiden Seiten, in Rom wie in Econe, im Vatikan wie am Sitz der Priesterbruderschaft, diesen Zustand zu beenden und die volle Einheit mit dem Papst und der ganzen Kirche wiederherzustellen. Wenn das erreicht ist, was wollen die deutschen Bischöfe dann sagen?

Nein, der wahre Grund für die ganze Aufregung sind nicht die skurrilen Ansichten eines extravaganten und suspendierten Bischofs. Die Wortführer auf Bischofssitzen, in allerlei Ämtern, Einflusspositionen und Redaktionsstuben beschleicht vielmehr die dumpfe Ahnung, dass sie ihre Mehrheit im Kirchenvolk längst verloren haben könnten. Sofern sie diese jemals besaßen und es ihnen nicht nur gelungen war, die mit ihrem vermeintlich durch das jüngste Konzil gedeckten Reformkurs nicht einverstandene, aber unter den Vorzeichen der Schweigespirale (Noelle-Neumann) schweigende Mehrheit zu marginalisieren.

Ich habe in meiner Gemeinde noch niemanden getroffen, der die liturgischen Eskapaden des nicht so wichtigen Pfarrers billigen oder gar gutheißen würde. Den Messdienern ist das alles peinlich, auch die Kommunionhelfer machen keinen glücklichen Eindruck, die Jugendlichen finden es blöd und zogen dem Pfarrer stets die beiden letzten Kapläne vor, der eine katholischer als der andere. Und auch im übrigen Kirchenvolk konnte ich bis jetzt niemanden finden, der den liturgischen Stil des Pfarrers goutiert, aber viele, die darüber verzweifeln oder den Messbesuch vernachlässigen, weil sie das Kaspertheater nicht mehr ertragen.

Die Gründe, warum diese Missstände trotzdem fortbestehen, sind vielfältig. Zu ihnen gehört, dass dieser Pfarrer sich immer noch im Einklang mit der vorherrschenden Interpretation des Zweiten Vaticanums und dessen Reformwillens wähnen kann. So absurd das schon bei nur oberflächlicher Kenntnis der einschlägigen Konzilstexte auch erscheinen mag. Und dies gilt nicht nur für die Liturgie, sondern – lex orandi, lex credendi – für die gesamte Lehre der Kirche.

Der eigentliche Kern der Sache ist ein Streit um Deutungshoheit. Die deutsche Konzilsmafia, um den oben angedeuteten Zirkel aus Bischöfen, Kirchenverwaltungsbeamten, Gremien, Meinungsführern und Redakteuren einmal despektierlich zusammenzufassen, beginnt zu ahnen, dass sie ihre Deutungshoheit verlieren wird und zum Teil bereits verloren hat.

Das Kirchenvolk lässt sich heute, ausgestattet mit Katechismus und direktem Zugang zu allen römischen Dokumenten, nicht mehr so leicht für dumm verkaufen wie noch vor zwanzig Jahren, als es gerade einmal den Deutschen Erwachsenenkatechismus gab und an den digitalen Direktbezug aller möglichen vatikanischen Verlautbarungen noch nicht zu denken war.

Der mehr oder weniger starke Druck aus Rom ließ sich stets als Ausdruck dumpfer Reaktion und als Versuch diffamieren, das Rad hinter das Konzil zurückzudrehen. Dieses Spiel wird bis heute gespielt, nicht ohne Erfolg. Doch an der Basis wächst der Druck dagegen. Die schweigende Mehrheit bricht ihr jahrzehntelanges Schweigen. Und sie hat mittlerweile die besseren Karten.

Vermutlich steht die schweigende Mehrheit dem katholischen Kern der Lehre und Liturgie, wie ihn die Piusbruderschaft vertritt, näher als dem Reformquark der vergangenen 50 Jahre. Für die Meinungsführer wird es allmählich eng. Und das erklärt die verzweifelte Inbrunst der Attacken.

Eine ganze Generation der meinungsführenden Minderheit merkt, dass ihre Zeit abläuft und ihr Spiel verloren ist. In den Lehrgesprächen zwischen Glaubenskongregation und Piusbruderschaft wird der ganze heiße Stoff verhandelt. Auf der Tagesordnung steht nicht mehr und nicht weniger als die Frage, was es heißt, das Zweite Vaticanum anzuerkennen – und was nicht.

Seine Programmatik in dieser Sache hat Papst Benedikt schon in seiner Weihnachtsansprache 2005 an die römische Kurie formuliert, als er die Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches einer Hermeneutik der Kontinuität Reform gegenüberstellte. In den anstehenden Lehrgesprächen wird sich nun zeigen, wie weit dieser Ansatz trägt.

Die Bedeutung dieser Gespräche reicht also weit über die Integration der Piusbruderschaft in die Kirche hinaus. Die Gespräche werden eine Zäsur für die Rezeption des Zweiten Vaticanums markieren, so oder so.

Technokratin von der Leyen

Im Wahljahr 2009 gibt es für Katholiken zwei Gründe, das Kreuz nicht bei der CDU/CSU zu machen. Neben der populistischen, törichten und ungerechtfertigten Attacke der Kanzlerin auf Papst Benedikt XVI. ist die Person der Familienministerin Ursula von der Leyen und deren Politik das zweite Wahlhindernis.

Als ich im April dieses Interview im Deutschlandfunk hörte, wurde mir klar, dass die Familienministerin eine Technokratin reinsten Wassers ist. Misst man ihre auf eine Steigerung der Geburtenrate angelegte Familienpolitik an eben jener Geburtenrate, so ist sie bis jetzt ganz klar gescheitert. Im Jahr 2008 ging die Zahl der Geburten nach vorläufigen Zahlen um 1,1 Prozent zurück. Ein Jahr zuvor war sie um 1,8 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen ist damit wieder das Niveau von 2006 erreicht, dem Jahr vor der Reform.

Dies hält die Ministerin jedoch nicht davon ab, ihre Politik weiterhin für richtig zu halten. Dass sie nun angesichts des kurzfristigen Scheiterns für den langen Atem plädiert, ist völlig in Ordnung. Aber vielleicht hätte sie ihren vermeintlichen Erfolg im Februar nicht ganz so laut feiern sollen. Jetzt steht sie als Politikerin da, die vermeintliche Erfolge gern als Bestätigung ihrer Politik heranzieht, Misserfolge aber nicht zum Anlass etwaiger Korrekturen nehmen will. Was eigentlich könnte Frau von der Leyen zu Änderungen veranlassen, wenn nicht der Misserfolg – außer vielleicht der Finanzminister, der ihr die Mittel streichen könnte?

Es kann gut sein, dass ihre familienpolitischen Reformen keinerlei Auswirkungen auf die Geburtenrate haben. Dann sind sie aber ganz klar schädlich, denn sie binden knappe Steuermittel. Von diesem Geld hätten die Familien mehr, wenn der Staat es ihnen gar nicht erst wegnehmen oder der nächsten Generation in Form von Schulden aufbürden würde. Und eine weitere Verstaatlichung der Kinderbetreuung kann keinesfalls wünschenswert sein.

Von ähnlich technokratischem Geist bestimmt ist ihre Kampagne gegen Kinderpornographie, die inzwischen zum Kern der Sache vorgedrungen ist: den Freiheitsrechten der Bürger, die Frau von der Leyen um der vermeintlich guten Sache willen einzuschränken wünscht. Ganz ähnlich wie im Fall staatlicher Kinderbetreuung übrigens geht es auch hier darum, dem Staat Zugriff auf einen Bereich zu geben, wo er besser keinen Zugriff hätte.

Frau von der Leyen glaubt fest an den Staat und dessen Mittel, auf die Gesellschaft im Sinne ihrer Ideologie einzuwirken. Sie wünscht mehr Staat in der Familien- wie auch der Innen- und der Telekommunikationspolitik, in deren Bereiche sie sich eingemischt hat.

Und am Ende soll der nahezu allmächtige Staat von der Leyenscher Prägung auch noch im Bereich der Reproduktionsmedizin tätig werden und mit Steuermitteln Kinderwünsche erfüllen. Technik, Geld, Recht und der Staat können offensichtlich alles.

Siehe auch: Ursula von der Leyen und die Verbalkeule